Schwer in Mode
Secondhandladen - Seit zehn Jahren gibt es das Kleiderglück des DRK in der Marktstraße, seit der Pandemie sogar mit weit mehr Fläche. Es ist längst nicht mehr so, dass vor allem Hilfsbedürftige dort einkaufen. (HZ v. 08.12.22)
Entschuldigung, haben Sie das auch in meiner Größe? – Schmunzelnd erzählen die Mitarbeiterinnen des Kleiderglücks in der Giengener Marktstraße, dass sie das immer wieder gefragt werden. Dabei ist das Kleiderglück ein Secondhandladen, in dem Gebrauchtware verkauft wird, die andere abgegeben haben. Das Geschäft ist keine Boutique, kein normales Bekleidungsgeschäft, in dem ein Teil in zehnfacher Ausführung am Bügel hängt. Vor allem seit dem Umzug in ein neues Gebäude, wirkt der Laden des Deutschen Roten Kreuzes jedoch so.
350 Quadratmeter Verkaufsfläche, liebevoll dekorierte Schaufenster, Modellpuppen, die einige Stücke zeigen, Schuhregale, Taschen, Gürtel, gesonderte Bereiche für Abend- oder Jugendmode. Wer eine Beratung braucht, bekommt sie von Ladenleiterin Natalia Wilmann oder von einem oder einer der ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen, von denen manche schon dabei sind, seit es den Laden gibt.
Der Unterschied zur gängigen Boutique: Bevor sich hier die Regale füllen, müssen die Ehrenamtlichen hinter den Kulissen etliche Kisten und Säcke voller Kleidung sichten, sortieren, bepreisen. Während vorne jemand aus dem Team an der Kasse steht, macht hinten jemand damit weiter, neu abgegebene Ware durchzuschauen und an die richtige Stelle zu verräumen.
Großer Keller voller Kisten
Nicht immer ist das gleich eines der Regale im Laden. Im Idealfall sollte auch im Lager immer noch etwas Puffer sein, um nachzufüllen, außerdem verfügt das Geschäft seit seinem Umzug während der Pandemie ins Nebengebäude über einen großen Keller, in dem in Kisten sortiert beispielsweise Saisonware untergebracht ist, die erst zur passenden Zeit wieder herausgeholt wird.
Überall hängen hier Schilder mit Infos zu Art und Größe der Ware, neben Jeans oder Winterjacken können das auch mal Schneeanzüge oder Wolldecken sein. Zwischen all den Kisten erklärt Angela Zell, Koordinatorin des Kleiderladens, dass die Sortierung auch für den Fall ganz praktisch sei, dass irgendwo plötzlich Leute in eine Notlage gerieten und von heute auf morgen Kleidung benötigten. „Es macht keinen Sinn, dass dann jeder selbst die Kleidung an Ort und Stelle bringt. Wir haben hier den nötigen Lagerplatz und können immer sofort reagieren“, erklärt Zell.
Stücke fürs Regal retten
Wieder zurück ins obere Stockwerk. Zurück vom Katastrophenfall hin zum täglichen Geschäft. Wie sieht das aus? Im Kleiderglück kann grundsätzlich jeder seine Kleidung abgeben. Im besten Fall: gewaschen, sortiert – und unbeschädigt. Nicht immer haut das hin. Ab und an aber verlieben sich die Mitarbeiterinnen in schöne Stücke und nehmen schon mal eines mit nach Hause. Dort waschen oder nähen sie es, um es doch noch fürs Regal zu retten. Ohne diesen Antrieb, dieses Herzblut, das die Ehrenamtlichen in den Kleiderladen hineinstecken, würde das ganze System hier nicht funktionieren.
Ist die Ware sortiert, legen die Ehrenamtlichen Preise fest und zeichnen die Kleidungsstücke aus. Jedes bekommt ein eigenes Etikett mit dem Logo des Kleiderglücks – das auf den ersten Blick erst mal nicht aufs Deutsche Rote Kreuz hinweist. Für die Preise hat das Team eine Liste erstellt, an der es sich orientieren kann, im Grunde ist es aber jedes Mal eine Einzelentscheidung: Wie oft wurde das Teil schon gebraucht? Wie viel gibt es davon im Laden? Und: Für wen ist es gedacht? „Besonders bei der jungen Mode halten wir die Preise sehr niedrig, dass sich Jugendliche auch mit wenig Geld mal ein neues Top leisten können“, beschreibt Zell.
Eine neue Designertasche
Beim Besuch vor Ort zeigen die Mitarbeiterinnen als Erstes eine schwarze Handtasche in einer Glasvitrine. Neuware. Designerware sogar, von Strenesse, erklären sie, so eine Tasche koste schon mal um die 400 Euro. Im Kleiderglück können sie die Kunden jetzt für 80 Euro erwerben. Immer wieder komme es vor, dass Neuware abgegeben werde.
Wer im Kleiderladen einkauft und nachweisen kann, dass er hilfsbedürftig ist, beispielsweise mit der Giengener Einhornkarte, muss nur die Hälfte zahlen. Als der Laden vor zehn Jahren geöffnet hat, seien überwiegend Menschen gekommen, die ein niedriges Einkommen hatten und diesen Rabatt in Anspruch genommen haben. Mittlerweile aber kauften auch viele andere im Kleiderglück ein – entweder im Sinne der Nachhaltigkeit, den Gedanken unterstützend, dass Kleidung so lange wie möglich getragen wird, oder, wie seit Kurzem, angesichts steigender Preise.
Im Kleiderladen nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch andere Entwicklungen wahr, die sich Tausende Kilometer weit weg von Giengen abspielen. So habe sich die Qualität der Kleidungsstücke in den vergangenen Jahren mehr und mehr verschlechtert. Kein Wunder, wenn man sich in der Modewelt umschaut: Alle paar Wochen werden neue Kollektionen beworben, Kunden bestellen im Internet immer noch mehr Neuware. Selbst bei Marken, von denen man es nicht erwarten würde, seien Nähte schief genäht oder klemmten Reißverschlüsse. „Das ist alles nur noch Synthetik und Plastik“, erklärt Ladenleiterin Wilmann.
Während der Pandemie sei im Laden viel neue Ware angekommen, auch im Winter laufe es meistens ganz gut, weil die Leute dann Zeit hätten, um zu Hause zu räumen. „Im Sommer lässt es immer nach und auch bei den Männerklamotten hapert es“, schildert Zell.
Der neue Laden sei zwar heller, luftiger und schicker, vor allem aber deutlich größer. Zwischenzeitlich sei es daher „echt knackig“, die Fläche zu bestücken. Womit das DRK zudem zu kämpfen hat: fehlende Ehrenamtliche. Ladenleiterin Wilmann ist fest angestellt, alle anderen Mitarbeiter im Kleiderglück unterstützen das DRK ehrenamtlich. An der Wand des Mitarbeiterraums hängen zwar viele Portraits von Freiwilligen, die im Laden arbeiten, es seien aber noch immer zu wenige. Vor allem fehlten junge Menschen, die als Unterstützung nachkämen.
Mehr Anreize gefordert
Der DRK-Laden darf als Non-Profit-Organisation keine großen Beträge erwirtschaften, lediglich eine kleine Rücklage für Krisen wie die Pandemie. Die Ehrenamtlichen verdienen nichts, sie können sich nur ihre Fahrtkosten erstatten lassen. „Wir machen aber immer wieder Ausflüge oder durften an Fortbildungen teilnehmen“, betont Inge Miholic, die sich seit zehn Jahren im Kleiderglück engagiert.
Zell wünscht sich von der Politik mehr Anreize fürs Ehrenamt, Vergünstigungen zum Beispiel. „Sonst können wir soziale Projekte wie diesen Laden in Zukunft nicht mehr stemmen.“
Austausch mit anderen DRK-Läden
Nicht alles, was in Giengen abgegeben wird, bleibt auch in Giengen. Zwei Fahrer, angestellt auf Honorarbasis, fahren mehrmals pro Woche zwischen dem Kleiderglück und der Heidenheimer Kleiderkammer hin und her, um gegebenenfalls Ware zu tauschen. Aussortierte Kleidung, die kaputt ist, geht an die Kollegen aus Schwäbisch Gmünd und von dort weiter zu Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, aus Klamotten Malervlies, Fußmatten oder Putzlappen herzustellen.